Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit Seherinnen und Sektierern, Neutäufern und Neugläubigen, mit Gebetsheilern und vom Teufel besessenen Frauen in katholischen und reformierten Gegenden der Zentral- und Ostschweiz. Für diese, den üblichen Rahmen sprengende Religiosität wurde der Begriff der ¿auffälligen Religiosität¿ eingeführt.
Das 19. Jahrhundert vollzog inhaltlich aufgrund der Industrialisierung und Modernisierung, Demokratisierung und Nationalisierung sowie der Säkularisierung einen Umbruch gegenüber der Tradition. Die untersuchten auffällig religiösen Phänomene waren sicher nicht Ausdruck einer alltäglichen Religiosität einer breiten Bevölkerungsschicht. Doch existierten vermeintlich vormoderne magisch-religiöse Weltsichten neben den modernen aufgeklärt-zweckrationalen weiter. Obwohl Entkirchlichungsprozesse zu Beginn des 19. Jahrhunderts unbestreitbar stattfanden, sind sie nicht mit einem Nachlassen der individuellen Religiosität gleichzusetzen.
Die Untersuchung gibt einen Einblick in die religiöse Praxis gesellschaftlicher Randgruppen, in denen Frauen eine große Präsenz hatten. Bemerkenswert ist, dass sich Gemeinsamkeiten in den religiösen Grundbedürfnissen auffällig religiöser Personen katholischer wie reformierter Konfession finden lassen. Beispielsweise stellt die persönliche Frömmigkeit einen solchen Aspekt dar. Dieses Bedürfnis konnten auffällig religiöse Personen dadurch stillen, dass sie sich dem neu konstituierenden Ultramontanismus zuwandten oder einem evangelikalen Erweckungswerk anschlossen. Der Glaube, dass der Teufel die Ursache für körperliche oder seelische Krankheiten ist, also direkt ins diesseitige Leben eingreift, bildet einen weiteren Aspekt. Dieser Glaube gründet noch stark auf das barocke Weltbild und ist auch dem buchstäblichen Bibelverständnis der Erweckungsbewegung nicht fremd.