Der Leittext der französischen Geschichtsschreibung waren die »Grandes chroniques
de France«, die seit dem 13. Jahrhundert regelmäßig fortgesetzt wurden. Im 15. und
frühen 16. Jahrhundert war das zentrale Thema dieser herrschaftsnahen Historiografie
der Hundertjährige Krieg und der damit einhergehende innerfranzösische Krieg
zwischen Armagnac und Burgund (1407¿1435). Die historiografische Entwicklung war eng
verbunden mit dem Ringen verschiedener Parteien um die Deutungshoheit über diese
Konflikte. Dieser Anspruch wird hier erstmals vor dem Hintergrund untersucht, dass
die »Grandes chroniques« zwar als historiografische Leiterzählung fortgesetzt, aber
zugleich schrittweise durch neue, humanistisch geprägte Texte abgelöst wurden. Die
Studie rekonstruiert zahlreiche Entwicklungsstufen der »Grandes chroniques« und
thematisiert auch bislang kaum analysierte Werke, die in ihrem Umfeld entstanden.
Handschriften wie Drucke werden dabei gleichermaßen berücksichtigt.