Renate Welshs von einem tiefen Humanismus geprägte essayistische Texte und Reden verquicken grundsätzliche Erwägungen häufig mit dem selbst Erlebten. In ihrer unnachahmlichen, gewinnenden Art und mit dem ihr eigenen Augenzwinkern scheut die vielseitige Autorin sich nicht, gesellschaftlichen Entwicklungen auch im persönlichen Bereich auf den Grund zu gehen: Sie thematisiert Angst und Sprachlosigkeit, hinterfragt den schwammigen Begriff Toleranz, macht sich auf die Suche nach dem Menschenbild.
Durch etliche der hier versammelten Arbeiten zieht sich als ein roter Faden das Zuhören: Wer anderen nicht zuhören kann, meint sie, kann auch sich selbst beim Denken und - schlimmer noch - beim Fühlen nicht zuhören. Dass sie selbst andere wichtig nimmt, nicht zuletzt in regelmäßigen Schreibwerkstätten Obdachlosen ihr Ohr lieh, ist für Renate Welsh selbstverständlich. Den Texten dieses Buches ließe sich fraglos gut zuhören. Sie sind aber in erster Linie eine erhellende,
empathische Lesefreude.