Die rege Auseinandersetzung mit Emilia Pardo Bazán (1851-
1921), Grande Dame der spanischen Erzählkunst, anlässlich
ihres hundertsten Todesjahres stand ganz im Zeichen ihres ent-
schlossenen Eintretens für Emanzipation und Ffauenrechte. Der
vorliegende Band versammelt dreißig Erzähluhgen, die weibliche
Identität und die soziale Stellung der Frau vor dem Hintergrund
der herrschenden Machtstrukturen und Geschlechterdiskurse um
1900 beleuchten. Die Themen sind bis heute aktuell: Körperliche
und psychische Gewalt, Einschränkung und Unterdrückung im
privaten wie im öffentlichen Leben, enttäuschte Hoffnurgen,
nur selten gelingende Versuche der Selbstermächtigung- Pardo
Bazán beschreibt dies alles mit lakonischer Nüchternheit und
ohne jede moralisierende Haltung.
Zugleich skizziert sie soziale Topographien von Städten, gibt
Einblick sowohl in bürgerliche Kreise als auch in das Arbei-
termilieu und schildert die Brutalität des Landlebens sowie die
sympathische Naivität mancher Dörfler. Und mit großem Fein-
gefühl porträtiert sie ielfach ihre Heimat Galicien: die herrli-
chen Naturlandschaften, verschiedene Städte und Ortschaften,
insbesondere das von ihr so genannte Marineda (A Coruña),
volkstümliche Sitten und Gebräuche, katholische Frömmigkeit
und Aberglauben, skurrile Typen und rücksichtslose Verbrecher.
Kurzum, sie analysiert die sozialen, wirtschaftlichen und poli-
tischen Gegensätze der spanischen Geselschaft ihrer Zeit und
dringt dabei in die Tiefen der conditio bumana vor.