Kierkegaards einflussreicher Essay nimmt seinen Ausgang im Problem der Erbsünde. Sie bildet die Grundlage seiner Theorie der Angst. Diese aber nimmt eine Schlüsselfunktion für die Bestimmung des Menschen ein: »Der Mensch ist eine Synthese aus Seelischem und Körperlichem. Doch eine Synthese ist nur denkbar, wenn sich die beiden Teile in einem Dritten vereinen. Dieses Dritte ist der Geist. Wie verhält sich der Geist zu sich selbst und zu seiner Bedingung? Er verhält sich als Angst.«
Für Kierkegaard macht die Möglichkeit zum Handeln und zur Freiheit dem
Menschen Angst. Aus menschlichen Handlungen wird Geschichte, die aber laut
Kierkegaard nie frei von Schuld sein kann. Kernstück seiner Schrift ist
die Abhandlung über die Erbsünde. Darin bestimmt er den Menschen als ein
Doppelwesen, in dem sich die Freiheit mit der Notwendigkeit, Unendlichkeit
mit Endlichkeit verbindet. Mit dem Begriff des Augenblicks erhält nach
Kierkegaard die Freiheit ihren Bezug zur Zeit. Der Mensch kann Möglichkeiten
nutzen oder versäumen; er selbst verwandelt sie durch sein Handeln in Wirklichkeiten.
Ein Schritt von der Möglichkeit zur Wirklichkeit erscheint zwar verlockend,
weil er in die Freiheit führt, er ist aber immer mit Angst verbunden. Kierkegaard
unterscheidet zwischen Furcht und Angst. Furcht richte sich auf Bestimmtes,
Angst bleibe stets unbestimmt. Es ist die Angst vor dem Nichts, das weite
Feld des Unbekannten, in dem auch die Möglichkeit zur Schuld liegt. Wie
der Augenblick die Freiheit erst verwirklicht, schafft die Sünde das Selbstbewusstsein.
Solange der Mensch unschuldig in Gottes Schoß geborgen ruhe, träume er.
Erst mit dem Sprung aus der Unschuld erwache sein Geist und das Bewusstsein
von Freiheit und Schuld. Doch die Angst lähmt nach Kierkegaard nicht nur,
sondern enthält die unendliche Möglichkeit des Könnens, die den Motor menschlicher
Entwicklung bildet. Entweder verhält sich der Mensch zum Leben ästhetisch
und genießend oder ethisch, d.h. verantwortlich und religiös mit enger
persönlicher Bindung an Gott.